27.Tag

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01.April2015
Narvik ist die Stadt der Eisenerze. Nicht, dass sie hier abgebaut werden, sie werden hier verladen. Die Erze kommen aus dem schwedischen Kiruna und werden mit der eigens dafür gebauten Ofotenbahn nach Narvik gebracht, wo man sie auf Schiffe verlädt. Mit dieser Bahn ist auch Narvik Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Um die reichen Erzvorkommen im Norden Schwedens überhaupt gewinnbringend abbauen zu können, mussten Transportwege her. Die Häfen am Bottnischen Meerbusen waren zu weit weg und im Winter nicht eisfrei.

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So haben wir es mit einer recht jungen Stadt zu tun, die sehr schön auf vielen Felsen am Ofotfjord gelegen ist. Die Hafenanlagen und Gleisbauten prägen das Stadtbild, sind allerdings auch im Rückbau begriffen, da vieles aus der Stadt ausverlagert wird. Jedenfalls ist die Nachfrage nach Eisenerz ungebremst, die Bahnstrecke wird weiter für höhere Lasten und längere Züge ausgebaut.

28.Tag

02.April2015
Es ist Ostern. Und in Norwegen ist ein Tag länger Ostern als bei uns. Es beginnt bereits am Gründonnerstag und ist hier das was bei uns Weihnachten ist, nämlich ein Familienfest. Alle treffen sich in einer Hütte auf dem Land, am besten im Schnee gelegen. Auf der Fahrt nach Tromsø stellen wir auch fest, dass die Parkplätze und Ausweichbuchten entlang der Straße voll mit Autos sind. Zu den Hütten selbst kommt man meist nur auf einem kleinen Trampelpfad oder mit dem im Anhänger mitgeführten Scooter.
In Tromsø angekommen, landen wir bei der Touristeninformation, die bestens auf herumirrende österliche Besucher vorbereitet ist und zwar mit langen Listen über Öffnungszeiten. Es haben hierzulande nämlich nicht nur die Geschäfte zu, sondern das gesamte öffentliche Leben liegt brach.
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Wir haben Glück und treffen auf ein nettes Café mit Kino, was heute geöffnet ist. Wir sind das dritte Mal in Tromsø und da wir bisher immer im Kino waren, setzen wir auch dieses Mal die Tradition fort.
Hinter dem Café kommt eine wunderbarer riesiger original Jugendstil-Kinosaal zum Vorschein. Super!

29.Tag

03.April2015
Wir machen eine kleine Stadtrundfahrt. Von unserem letzten Besuch im Sommer 2001 ist mir Tromsø als eine Art Idealstadt in Erinnerung geblieben. Der Traum eines jeden Stadtplaners. Ihm steht eine Insel zur Verfügung, auf der er/sie nach Gutdünken lockere Wohngebiete, verdichtete Innenstadtzentren, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen, Industriegebiete und Hafengelände, Flughafen sowie einen Uni-Campus in einer Art Park verteilen kann. Wie Rosinen im Kuchen. Der Rand ist klar fixiert, das ist das Wasser.
Der besondere Clou ist, dass es sich bei dieser Insel um einen Berg handelt. Nicht sehr hoch, aber hoch genug, dass man sämtliche Schnellverbindungen zwischen den einzelnen Stadteilen in den Berg verlegen kann. Der Park oben bleibt also unberührt, quasi ein Paradies.
Um also zu überprüfen, ob meine idealen Vorstellungen von Tromsø auch nach 14 Jahren noch stimmen, machen wir diese Rundfahrt. Ein bisschen trübt sich mein Bild doch ein, da die Stadt in den vergangenen Jahren mächtig gewachsen ist und das zu Lasten des Parks geht, der sich ohnehin im winterlichen grau nicht gar so paradiesisch gibt.
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Ein Kleinod haben wir aber noch gefunden, die Tromsø Funstforening, den örtlichen Kunstverein mit einer erstklassigen Video-Ausstellung „Traveling Alone“ zum Thema Jugend und Erwachsenwerden.

30.Tag

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04.April2015
Entlang der Küste schlängeln wir uns weiter durch die nicht endende Bergwelt. Nach jeder Kurve vermute ich das Ende, aber es endet nicht. Im Gegenteil es tun sich immer neue Bergketten auf, mal ganz runde Kolosse wir Rücken von Walfischen dann wieder spitz. Mal zerklüftet, so dass sich ein fleckiges Bild aus Schneefeldern und blanken Felsen ergibt. Es begleiten uns vor allem Birken, hin und wieder Kiefern, seltener Fichten oder gar Lerchen. Es sind immer noch Bäume mit stattlicher Höhe von 8-10m. Am Fährhafen von Lyngseidet finde ich eine Steinwand, die mir die unterschiedlichen Gesteinssorten erklärt. Denn nichts fasziniert mich auf dieser Reise mehr als die Steine und Gebirgsformationen.
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31.Tag

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05.April2015
Wieder durchqueren wir Wahnsinnslandschaften. Völlig verschneite Hochebenen tauchen uns ins Weiß. Der Wind pfeift unerbittlich und lässt auf den Straßen immer wieder Schneewehen entstehen.
An den Zufahrten zu den Hochebenen stehen daher Schlagbäume. Wenn die Straße dicht ist, muss hinter dem Schneepflug Kolonne gefahren werden. Dafür gibt es Schilder mit Kolonnenzeiten. Weitere Schilder warnen vor Elchen, ziemlich präzise. 1-35 km, dann das nächste Schild 7 km. Bisher ist uns noch keiner über den Weg gelaufen. Schade, oder gut so.  Aber sehen würde ich schon noch gerne einen.
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32.Tag

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06.April2015
Wieder über eine Hochebene und wieder an einem Fjord entlang erreichen wir Vardø, die östlichste Stadt Norwegens, östlicher als Kirkenes. Vardø liegt auf einer Insel und ist nur über einen Tunnel zu erreichen und war lange Zeit ein Bollwerk gegen die Russen. Aber nicht nur gegen Russen musste man sich hier wehren, sondern auch gegen Hexen. Im 17.Jh. verzeichnet die Stadt mit 300 Einwohnern mehr als 100 Hexenprozesse mit 91 Schuldsprechungen.
Heute erinnert ein Denkmal an diese grausame Zeit. Das heißt, es sind gleich zwei Denkmale, denn man hatte sowohl Louise Bourgeois als auch den Architekten Peter Zumthor beauftragt.
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An die ortstypischen Stockfischgestelle angelehnt, hat Zumthor einen 120m langen beeindruckenden Korridor entworfen. Innen ganz in schwarz erinnert der Gang an die 91 Opfer.  Die Installation mit den Glühbirnen lässt mich zu sehr an Boltanski denken. Das zweite Bauwerk, ein schwarzer Glaskubus, ist Hülle für die Skulptur von Louise Bourgeois. Sehr imposant sind die großen ovalen Spiegel, alle auf den Scheiterhaufen gerichtet. Auch der Blick nach draußen durch das schwarze Glas gefiel mir. Von außen allerdings finden die beiden Bauwerke überhaupt nicht zueinander und warum es zwei Gedenkstätten sind hat sich mir ebenfalls nicht erschlossen. Schön ist, dass beide Gebäude tags und nachts, winters wie sommers offen sind.
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33.Tag

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07.April2015
Unser vorerst letzter Tag auf Reisen. Heute Abend wollen wir am Ziel sein.
Wir verlassen unseren schönen Übernachtungsplatz auf den Klippen und machen Stopp in Vadsø, dem Zentrum der Varanger Halbinsel. Hier gibt es alles, unter anderem auch eine funkelnagelneue Bibliothek. Wir stöbern ein wenig herum, schauen nach Fotobüchern und Zeitschriften. In Norwegen gibt es eine ungewöhnliche Vielfalt an Kunst- und Kulturzeitschriften .
Wir genießen mit Wehmut die letzte Etappe und erreichen am frühen Abend das mit Spannung erwartete Berlevåg.
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34.Tag

08.April2015
Für die nächsten 6 Wochen wird die Kvitbrakka mein Domizil sein. Kvitbrakka heißt so viel wie weiße Baracke, ist aber heute schwedenrot. Sie liegt mitten im Hafen von Berlevåg. Auf der einen Seite habe ich Blick zum Hurtigrutenterminal, auf er anderen schaue ich zum Fischereihafen. Die Hütte ist riesig, es hat Platz für drei Künstler, aber wahrscheinlich werde ich die sechs Wochen hier alleine verbringen. Im Moment verlaufe ich mich noch ständig. Die Baracke war ursprünglich Unterkunft für die Bauarbeiter, die in den 60er Jahren die Hafenmole errichtet haben. Berlevåg liegt im Gegensatz zu anderen Häfen direkt am offenen Meer und ist nicht durch vorgelagerte Inseln geschützt. So konnten bis zum Bau der Mole die Hurtigrutenschiffe, welche die Versorgung der Stadt gewährleisteten, nicht anlegen. Güter wie Passagiere mussten in Booten ausgeschifft werden.
Die Sicherung des Hafens durch die Mole war wohl eine der
schwierigsten Aufgaben der staatlichen Kystverket und deswegen für Berlevåg das identitätsstiftende Moment.

35. Tag

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09.April2015
Tetrapoden sind die Wahrzeichen der Stadt. Deshalb steht auch ein Exemplar monumentenhaft am Eingang der Stadt. Die in Beton gegossenen tetraederartigen Gebilde wurden zwar in Frankreich erfunden, aber hier haben sie die Existenzgrundlage der Bewohner gesichert. Nachdem der Hafen mehrmals bei heftigen Stürmen und 9m hohen Wellen weggespült wurde, hätte man schon beinahe aufgegeben. Erst die Tetrapoden haben Sicherheit gebracht.
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36.Tag

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10.April2015
Es gibt nicht nur einen Tetrapodenmonument, sondern auch einen Tetrapodenpfad. Beim Spaziergang entdecken wir den alten Steinbruch, wo man die Steine zum Bau der Mole gewonnen hat.
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37.Tag

11.April2015
Heute Morgen habe ich Winfried zum Flughafen gebracht. Berlevåg zählt zwar nur etwa 1000 Einwohner, hat aber fast alles was Berlin auch hat. Manches mehr, zum Beispiel einen Flughafen mit 7 Beschäftigten. Zweimal am Tag landet hier eine Maschine der Fluggesellschaft Wideroe. Einmal morgens und einmal abends, einmal von Westen und einmal von Osten.
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38. Tag

12.April2015
Die Kvitbrakka ist Teil des Museumsviertes. Auf meiner Landzunge befinden sich also noch das Hafenmuseum, eine Baracke mit einem alten Boot (wahrscheinlich das frühere Ausschiffungsboot, aber das muss ich noch erfragen), sowie einige weitere historische Hütten aus der Zeit des Molenbaus. Desweiteren eine riesige Baustelle, ich bin also gar nicht so alleine wie ich das am Abend der Ankunft vermutet hatte. Das Hafenbecken muss tiefer gelegt werden, weswegen kleinere und größere Sprengungen von Nöten sind, die meine Hütte von Zeit zu Zeit erzittern lassen. Hier ist also ganz schön was los.
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Im Hafenbecken sind zwei Bohrinseln verankert, die finde ich aussehen wie Minarette. Als Neuköllnerin fühle ich mich sofort heimisch.
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39.Tag

13.April2015
Mein Quartier ist zwar kein Museum, kommt aber durchaus wie eines daher. Alles, was aus den 50er und 60er Jahren in Berlevåg nicht mehr gebraucht wird, ist hier versammelt. Geschirr, Möbel, Radios, Telefone, Schreibmaschinen. Kurios. In der Zwischenzeit kenne ich mich auch schon ein bisschen aus und verlaufe mich nicht mehr so oft. Mit Winfried habe ich alle Zimmer, Tische, Sofas ausprobiert und jetzt wo ich alleine bin versuche ich mich auf einige wenige Räume zu konzentrieren, schon allein damit ich nicht immer alles suchen muss.
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40.Tag

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14.April2015
Berlevåg hat eigentlich alles um ein modernes, der Zeit entsprechendes Leben zu gewährleisten. Die nächst größere Stadt ist Vadsø und ist ca. 200 km entfernt. Also ist man autonom hier. Neben den vielen kleinen Wohnhäusern gibt es eine Schule mit Sportplatz, gleich 2 Supermärkte (Konkurrenz muss sein), mehrere Fischfabriken, ein Krankenhaus mit Altersheim, eine Bibliothek, ein Museum, und natürlich auch ein Rathaus. Ich muss an mein Raumbuch denken, wo ich versucht habe in 10 Bänden alle die Gebäudefunktionen zusammenzutragen, die eine Stadt im Wesentlichen ausmachen. Was hier fehlt ist ein Schloss, aber das ist überflüssig, auch in Berlin. Was auch fehlt ist ein Bäckerei, aber das gibt es in ganz Norwegen nicht, vielleicht in Oslo. Dafür gibt es ein Fischgeschäft, ein Geschäft für Haushaltswaren, Spielzeug und Jagdbedarf, einen Baustoffhandel, ein Geschäft für Elektrogeräte, wo man auch Schneescooter kaufen kann, natürlich eine Tankstelle und eine Kirche.
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Mit dem Nacht- und Vergnügungsleben verhält es sich schon etwas schwieriger. Es gibt ein Restaurant, was aber nur tagsüber auf hat, eine Kneipe und 2x in der Woche gibt es einen Film im Samfunnshuset. Anstatt Bahnhof gibt es einen Flughafen und eine Kai für Hurtigruten-Dampfer.
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41.Tag

15.April2015
Das Herz von Berlevåg ist der Hafen. Hier findet die Wertschöpfung statt, denn der Fischgrund vor der Haustüre ist reich. Man kann die Fischkutter meist vom Land aus sehen, sie müssen also nicht weit in die Barentssee hinausfahren. Es wird vor allem Dorsch, Seelachs und Schellfisch gefangen. Besonderheit hier ist die Königskrabbe, ein Ungetüm von einer Größe bis zu 1,50 cm. Ich habe sie noch nie in unseren Fischtheken gesehen (KaDeWe oder so), aber dazu ist sie vielleicht einfach zu groß.
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42.Tag

16.April2015
Kurz nach meiner Ankunft in Berlevåg erhielt ich endlich positive Nachricht für einen Termin im Saatgut-Tresor in Spitzbergen. Dieser wird nur 3x im Jahr geöffnet und ich freue mich, dass ich die Möglichkeit bekomme dort zu fotografieren. Die Reise nach Norden kann also weitergehen. Da die Abflugzeiten in Berlevåg zu ungünstig liegen buche ich meine Flüge ab Kirkenes.
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43.Tag

17.April2015
Heute Abend bin ich mit Anfrid in der Neptun-Bar verabredet, der einzigen Kneipe vor Ort. Der Name ist nicht so originell, aber schlüssig. Wir trinken ein Bier, was hier 69 Kronen kostet, also ca. 8,50 Euro. Später kommt noch Tore dazu, der auch zum Verein der Freunde der Kvitbrakka zählt. Als ich berichte, dass ich nach Spitzbergen will, hat er sofort einen Kontakt für mich parat. Wunderbar, jeder kennt hier jeden, was durchaus von Vorteil sein kann.
Auf dem Rückweg nutze ich die Dunkelheit, die es bald nicht mehr geben wird, zu einem nächtlichen Spaziergang durch die Stadt. In den Fenstern der Wohnhäuser hängen fast überall Lampen, was mir schon im Süden Schwedens aufgefallen ist.
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45.Tag

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19.April2015
Heute starte ich in Richtung Kirkenes. Mein Flug nach Longyearbyen auf Spitzbergen geht früh am Morgen, so dass ich in der Nähe des Flughafens übernachten will. Ich bin ziemlich aufgeregt. Meine erste Nacht alleine im Bully, Spitzbergen und dann Fotografieren bei -18 °C im Saatgut-Tresor, das alles ist neu für mich.
Wieder geht es über die Hochebene und wieder ist alles in Weiß getaucht. Ich genieße die Fahrt bei gutem Wetter und finde in der Nähe des Flughafens einen schönen Platz für die Nacht.
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46.Tag

3274-svalbard-tuete20.April2015
Zuerst geht es morgens mit einer kleinen Propellermaschine, in der ca. 40 Personen Platz finden nach Tromsø. Die Stewardess begrüßt die Passagiere, wie wenn sie alle kennt. Nachdem sie ihre Aufgaben erledigt hat, setzt sie sich auf den freien Platz neben mir und hält ein Schwätzchen mit mir. Mich hat sie hier noch nie gesehen.
Ich komme so früh genug in Longyearbyen an, so dass ich gleich meinen ersten Stadtrundgang machen kann. Auf Tageszeiten brauche ich eigentlich nicht mehr zu achten, denn seit gestern geht die Sonne hier nicht mehr unter. Ich befinde mich oberhalb des 78. Breitengrades, was nicht zu übersehen ist. Jeder zweite trägt eine Einkauftüte des hiesigen Supermarkes bei sich, die mich daran erinnert wo ich bin. Ich bin umgeben von einer grandiosen Landschaft. Wo ich auch hinschaue überall Berge. Manche schaue aus wie Maschinen.
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Die Stadt kommt mir vor wie eine Goldgräberstadt. Alles sieht irgendwie provisorisch aus, was wahrscheinlich daran liegt, dass man im Permafrostboden nicht gründen kann. Be- und Entwässerung, sowie die Leitungen für die Heizung verlaufen überirdisch und sind allgegenwärtig. Die gesamte Stadt steht auf Pfählen.
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47.Tag

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21.April2015
Longyearbyen ist nicht groß. Es lässt sich ohne weiteres zu Fuß erkunden. Meine Herberge ist in Nybyen gelegen, eine ehemalige Bergarbeitersiedlung talaufwärts gelegen. Die Erwartung großer Bodenschätze und die Tatsache, dass Spitzbergen noch Niemandsland war haben vor einem guten Jahrhundert die Menschen hierhergezogen. Heute spielt der Bergbau nur noch eine untergeordnete Rolle. Auf Relikte aus der aktiven Zeit stößt man aber auf Schritt und Tritt. Heute sind es vor allem Wissenschaftler, Studenten der Geowissenschaften und Sportler, die es nach Spitzbergen zieht. Die Abenteuerlust ist heute wie damals mit dabei.
Ich fühle mich ein ziemlich fremd hier, da ich weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehöre.
Die Insel ist Natur pur. Und jetzt da noch Schnee liegt, ist für jemanden wie mich, der nicht dafür ausgerüstet ist, die Insel komplett unzugänglich. Obendrein sind es die Eisbären, die es nicht zulassen, den Ort ohne Gewehr zu verlassen. Ich fühle mich irgendwie in diesem Longyearbyen gefangen.
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Am Nachmittag treffe ich Eva Grøndal, die ihr Fotostudio in der Svalbard Galleri hat. Sie verwaltet ein riesiges Archiv von Negativen, die sie von ihren Eltern übernommen hat. Ihr Vater war in den 50er Jahren als Bergarbeiter auf die Insel gekommen. Sie erzählt mir eine Menge über das Leben hier. Da sie merkt, dass ich unglücklich bin, nicht aus der Stadt herauszukommen, lädt sie mich für den nächsten Tag auf eine Wanderung ein.

48.Tag

22.April2015
Heute habe ich endlich meinen lange erwarteten Termin im Saatgut-Tresor. Der „Global Seed Vault“ wurde 2008 eingeweiht zur Lagerung von Saatgut aus aller Welt. Spitzbergen ist ein idealer Ort, es herrscht Frieden und es ist kalt. Die Gewölbe im Permafrostboden bieten von sich aus eine Temperatur von -7°C. Geöffnet wird der Tresor nur, wenn neues Saatgut geliefert oder ausgetauscht wird, vorzugsweise in den Wintermonaten. So bekomme ich, wie noch ein paar andere Künstler die Möglichkeit, einen Blick in das Gewölbe zu werfen. Simon Jeppson und Asmund Asdal führen mich durch die Räume und versorgen mich mit großem persönlichem Engagement mit Informationen. Im Grunde sind die Räume unspektakuläre Lagerhallen mit Regalen und Kisten drin, mehr ist das nicht. Die Vorstellung allerdings, dass es sich um Saatgut aus allen Winkeln der Erde handelt, das meist eine sehr lange Geschichte von Anpassung an Böden, Wetterbedingungen, Krankheiten und Schädlinge aufweist, lässt mich die ausdruckslosen Behälter mit Respekt betrachten.
Die Urpflanze finde ich nicht, vielmehr geht es hier um Pflanzen-Diversität. Aber Goethe hat schließlich auf Sizilien die Suche nach der Urpflanze ebenfalls aufgegeben.
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48.Tag

22.April2015
Am Abend komme ich doch noch auf meine Kosten. Wie versprochen nimmt mich Eva auf eine Wanderung zum Kamm des Sarkofagen mit. Das ist der Hausberg, direkt hinter Nybyen gelegen und hat die längliche Form eines Sargs, daher der Name. Rechts und links kriechen die beiden Gletscher Larsbreen und Longyearbreen ins Tal. Es wird also aufregend. Eva rüstet mich noch aus mit einer Gesichtsmaske, denn geht ein schneidender, eisiger Wind, und Spikes. Ohne die geht hier gar nichts. Wir sind eine Gruppe von 12 Frauen, zwei davon bewaffnet, und starten gegen 20Uhr in Windeseile auf dem direkten Weg. Ich komme ganz schön ins schnaufen.
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49.Tag

23.April2015
Heute geht’s zurück nach Kirkenes. Ich habe vor dem Abflug noch Zeit für einen kleinen Einkaufsbummel in Longyearbyen. Was liegt näher, als mich endlich richtig auszurüsten. Ich kaufe also ein dünnes Halstuch aus Merinowolle, die dicken Schals taugen nämlich nichts, wenn man danach die Jacke am Hals nicht mehr richtig schließen kann, ein Paar Handwärmer, die länger als einen halbe Stunde halten, man kann damit auch prima Akkus wärmen, ein Paar Spikes für die Schuhe, nicht die extremen für den Gletscher, sondern eher für den Stadtspaziergang gedacht.
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50.Tag

24.April2015
Bevor ich zurück fahre nach Berlevåg nehme ich mir noch Zeit für einen Rundgang durch Kirkenes.
Zunächst besuche ich das Grenslandmuseet. Die Region wurde durch ihre Lagezwischen Osten und Westen immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen und Beutezüge geplagt, nicht erst im 2. Weltkrieg. Die Deutschen allerdings haben hier im Norden ganze Arbeit geleistet und auf ihrem Rückzug kein Stein auf dem anderen gelassen. Was nicht zuvor zerbombt wurde, brannte man ab. So gibt es hier an der Barentssee so gut wie keine Stadt, kein Dorf, was alte Bausubstanz aufweist. Das sieht man leider auch in Kirkenes. Es sieht irgendwie ostig aus, was vielleicht auch daran liegt, dass hier alles zweisprachig beschildert ist, norwegisch und russisch. Die Grenze zu Russland liegt keine 20km entfernt. Der regionale Grenzverkehr scheint recht lebendig zu sein.
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